Dr. Klaus Meier in der Alten Pathologie
„Ich mache nur Sachen,
die mir Spaß machen“
Interview mit Dr. Klaus Meier
Im Neuen Hulsberg-Viertel, der Bremer Quartiersentwicklung auf dem früheren Grundstück des Klinikums Bremen-Mitte, ist ein weiteres Bestandsgebäude verkauft worden. Es handelt sich um die 1909 erbaute Alte Pathologie, die bis zum Umzug in das neue Klinikgebäude auch das Institut für Rechtsmedizin beherbergte. Als Tatort-Kulisse öffnete sie in ihren späten Jahren einem weitaus größeren Publikum die Türen, zuletzt 2019, als das Bremer Kommissaren-Duo Stedefreund und Lürsen gemeinsam seinen letzten Fall löste. Doch auch das ist jetzt Geschichte. Nach den Plänen des Käufers erwartet die historische Immobilie nun ein neues Leben als Quartierszentrum. Bei einem Besichtigungstermin vor Ort spricht Unternehmer Dr. Klaus Meier über seine Leidenschaft für die Umnutzung von Bestandsgebäuden und seine Pläne für die Alte Pathologie.
Herr Meier, Sie haben zusammen mit ihrem Partner Johannes Aderholz die denkmalgeschützte Alte Pathologie im Neuen Hulsberg-Viertel gekauft. Was reizt Sie an dieser Projektentwicklung?
Ich finde es grundsätzlich immer sehr spannend zu überlegen, was man aus alten Gebäuden machen kann. Die Alte Pathologie ist so ein Gebäude mit viel Patina und einer sehr interessanten Struktur. Wir hatten in Bremen mal einen Projektentwickler, Klaus Hübotter, der hat so etwas sehr häufig und sehr gut gemacht. Ich will mal schauen, ob wir so etwas auch können.
Das Projekt trägt den Arbeitstitel „Villa Kunterbunt“. Was verbirgt sich dahinter?
Normalerweise würden wir ein Gebäude mit Blick auf die späteren Nutzungen entwickeln. Doch hier geht es erst einmal darum herauszufinden, welche Räume überhaupt entstehen können. Diese Räume werden wir eng am historischen Vorbild entwickeln. Da gibt es z.B. eine alte Kapelle, in die wurde später eine Decke eingezogen. Da werden wir die ursprüngliche Raumstruktur wiederherstellen, und in diesem Prozess wird sich dann bestimmt auch eine Nutzungsidee entwickeln. Klar ist auch, dass noch eine Gastronomie reinkommt. Wo genau, das müssen wir sehen. Zunächst geht es darum, diese kleinteilige Struktur, die über die Jahrzehnte im Gebäude entstanden ist, wieder zu öffnen. Viele Zwischenwände und die abgehängten Decken müssen weg, dann werden wir klarer sehen.
Insofern steht der Projektname „Villa Kunterbunt“ erst einmal für die generelle Idee, hier ein Quartierszentrum mit einer bunten Nutzungsmischung zu realisieren, die zum neuen Stadtquartier Neues Hulsberg-Viertel passt und als Quartiersmittelpunkt fungiert, aber auch für die angrenzenden Viertel Peterswerder und Steintor interessant ist. Wir denken z.B. an Angebote für Kinder und Familien. Der frühere Hörsaal, der sich im Gebäude befindet, könnte ein Ort für Theateraufführungen werden. Wir denken auch an Nutzungen aus dem Kunst- und Kulturbereich, an Räume für den Quartiersverein, an Werkstätten und Ateliers. Wir haben sicherlich mehr Nutzungsideen im Kopf, als wir dann später umsetzen können.
Nun hat dieses Gebäude als frühere Pathologie und Institut für Rechtsmedizin eine spezielle Geschichte. Wie wollen Sie mit diesem historischen Erbe umgehen?
Natürlich haben wir es hier mit einer speziellen Geschichte zu tun, und es gibt ja auch noch viele Dinge, die direkt auf die frühere Nutzung des Gebäudes hinweisen. In der früheren Leichenhalle sind zwar die Kühleinrichtungen nicht mehr intakt, aber von dem Ort, an dem die Leichen verwahrt wurden, ist noch die Fassade mit den einzelnen Schubfächern vorhanden. Ich könnte mir gut vorstellen, dass wir diese Fassade irgendwie nutzen und neu integrieren. Ähnliche Fragen stellen sich auch an anderen Stellen: Lässt man von den erhaltenen Seziertischen noch einen stehen oder nimmt man sie raus? Natürlich wollen wir für den Besucher auch die Geschichte dieses Gebäudes erlebbar machen. Und da, wo wir gute Exponate vorfinden, werden wir diese skulptoral mitnutzen. Und dann kann es auch sein, dass sich irgendwo, wo es passt, ein Seziertisch wiederfindet.
Kollektive Nutzungen, moderate Mieten, die Anforderungen des Denkmalschutzes und das aktuell eher schwierige Marktumfeld, wenn es um das Thema Bauen geht – rechnet sich dieses Projekt denn für Sie?
Über den dicken Daumen kalkuliert erst einmal ja, auch wenn wir in diesem Stadium noch gar nicht sagen können, ob wir mit 1.500 €/m2 hinkommen oder ob es doch eher 3.000 €/m2 sein müssen. Da sind zwei große Themen, die sich hier aufdrängen und die beantwortet werden müssen. Zunächst einmal: Tauscht man alle Fenster? Mit diesem Thema ist im Laufe des vergangenen Jahrhunderts nicht so optimal umgegangen worden. Die neu eingebauten Fenster haben sich zwar an der vorhandenen Struktur orientiert, aber man sieht, dass hier wenig emphatisch mit dem Gebäude umgegangen wurde. Tauscht man jetzt alle, dann ist das natürlich eine Rieseninvestition bei diesem Gebäude. Und dann wirft auch das Dach Fragen auf, die noch nicht beantwortet sind. Wenn man das komplett neu eindeckt und die Dachstühle überarbeitet, dann ist das natürlich auch ein Riesending. Daher gibt es beim Investitionsvolumen derzeit noch eine große Spannbreite. Doch letztlich kann man mit jeder Investitionssumme eine Rendite verdienen. Im Zweifel muss man das eben komplett mit Eigenkapital machen.
Auch an anderer Stelle in Bremen beschäftigen Sie sich gerade mit der Weiterentwicklung von Bestandsgebäuden. Die Kellog-Höfe und die Kellog-Pier sind zwei Projekte im Rahmen Ihrer Quartiersentwicklung Überseeinsel in Bremen.
Ja, da geht es ein bisschen rustikaler zu. Ein ehemaliges Silo zu einem Hotel zu machen, ist noch einmal eine ganz andere Herausforderung. Und die ehemalige Fabrik gestalten wir zum Wohnen um. Sie hat 4,60m hohe Wände – damit muss man umgehen können. Das ist dort alles ein etwas größerer Maßstab. Wir haben es z.B. mit einer Bunkerbauweise zu tun, die sehr interessant ist, so interessant, dass wir sie auch stehenlassen wollten. Aber andererseits gibt es dort wenig herauszuschälen. Da ist hier vermutlich anders. Hier sieht man z.B., dass sich unter dem Bodenbelag Terrazzoböden befinden. Das wäre ein großer Gewinn, wenn wir die hier im Gebäude freilegen und nutzen könnten. Dass sie hier sogar im Treppenhaus zu finden sind, das habe ich noch nie gesehen. Ich glaube, wir werden hier noch unglaublich viele Überraschungen erleben, wenn wir Böden hochnehmen und Holzverkleidungen beseitigen. Wir hoffen natürlich, dass wir dabei vielleicht auch noch ein paar Schätze entdecken.
»Was hier beabsichtigt ist und auch zu gelingen scheint,
eben die Integration der historischen Bestandsgebäude,
ist ein riesiger Mehrwert für dieses Viertel.«
Wo liegen aus Ihrer Sicht die Stärken des Neuen Hulsberg-Viertels als Quartiersentwicklung?
Da ist zunächst die zentrale Lage zu nennen mit einer guten verkehrstechnischen Anbindung und einem sehr familienfreundlichen Umfeld. Es ist alles schon da, man baut nicht auf der grünen Wiese. Was hier beabsichtigt ist und auch zu gelingen scheint, eben die Integration der historischen Bestandsgebäude, ist ein riesiger Mehrwert für dieses Viertel. Und wenn ich das richtig sehe, sind auch einige innovative Systeme wie z.B. Unterflursysteme für Müll und andere Dinge, die in Bremen noch ein bisschen neuartig sind, vorgesehen. Auch das Thema Baugemeinschaften als eine Form des Wohnens, die auch dazu beitragen wird, dass hier eine große, eigenständige Lebendigkeit entsteht, wurde berücksichtigt. Ich bin der festen Überzeugung, mit der Lebendigkeit steht und fällt jedes Quartier.
Gibt es Dinge, die Sie hier als Projektentwickler anders machen würden?
Die Energie würden wir garantiert komplett anders machen. Wir würden auch eine urbane Lösung zeigen, wie man Hochparken mit Energieerzeugung viel besser und superökologisch verbinden kann. Das Thema scheint mir hier etwas zu kurz gegriffen zu sein. Doch wenn man nicht so stark wie ich von Haus aus mit diesem Thema verwurzelt ist, ist es natürlich naheliegend, dass man die Fernwärme aus dem Müllheizkraftwerk nimmt. Aber das ist aus meiner Sicht keine Zukunftslösung. Und es gibt noch eine Sache, die wir auch anders machen würden, auch wenn mir natürlich klar ist, dass das hier dem Gesamtkonstrukt beim Neuen Hulsberg-Viertel geschuldet ist: Wir würden die historischen Bestandsgebäude niemals verkaufen. Wir würden sie immer behalten und selbst entwickeln. Denn ich finde, dass die parzellierte Entwicklung immer Probleme mit sich bringt. Partikular- und oft auch Kurzzeitinteressen in den Nutzbarkeiten führen oft dazu, dass das Quartier nicht wirklich aus einem Guss ist.
Sie sind von Haus aus Jurist, wurden später Unternehmer und Projektentwickler. Das Thema Erneuerbare Energien hat bei dieser Entwicklung eine wesentliche Rolle gespielt.
Ja, das stimmt. Ich habe die wpd GmbH und Deutsche Windtechnik AG mit aufgebaut und bin jetzt dabei, den operativen Bereich zu verlassen. Ich mache noch wenige größere Projekte in Deutschland, aber eigentlich würde ich auch das gerne abgeben. Ich habe es über dreißig Jahre gemacht und hätte mir ehrlich gesagt nicht vorstellen können, dass ich in einem Segment so lange tätig bin. Mein Schwerpunkt liegt seit zwei Jahren in den Fragen der kommunalen Wärmeversorgung. Wie lässt sich das vernünftig machen? Da gibt es aus meiner Sicht viele wichtige Fragen, die es dringend zu beantworten gilt. Und ich glaube sogar, dass wir darauf ein paar großartige Antworten haben. Das wird sich jetzt erweisen, denn das werden wir bauen, auch an verschiedenen Stellen in Bremen.
Wenn man sich anschaut, was Sie alles so tun und wo Sie sich engagieren, zeigt sich darin eine große Leidenschaft für Projektentwicklung und Transformationsprozesse, die Sie eigentlich immer im Kontext der Themen innovative erneuerbare Energien und Klimaschutz betrachten.
Ja, das stimmt, das hat mich eigentlich schon immer begeistert bzw. ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die Energiemärkte verändert werden müssen. Und da gibt es auch einige, oft wenig bekannte Ideen, wie man das machen kann. Ansonsten gilt für mich: Ich mache nur Sachen, die mir Spaß machen. Das Problem ist nur: Mir macht so viel Spaß!
Wenn Sie sich ein Projekt schnitzen könnten, eins, das Sie gerne realisieren würden, was wäre das für eins?
Also, wenn wir im Immobilienbereich bleiben, dann muss ich sagen, Kellogg ist schon irre, mit den Bestandsgebäuden und der Lage am Wasser. Wir verlassen mit unseren Projekten Bremen schon an ein paar Stellen, aber im Grunde genommen ist es auch gut, in seiner Heimatstadt zu bleiben, wo man die Märkte genau kennt. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir noch einmal irgendwo mitgehen, wenn hier in Bremen eine Tür aufgestoßen wird, aber im Moment kann ich mir eigentlich kein schöneres Projekt vorstellen als das, was wir da auf der Überseeinsel machen.
Zur Person:
Dr. Klaus Meier ist von Haus aus Jurist. Mit dem für seinen weiteren beruflichen Weg beherrschen Thema der Windenergie kam er in den 90er Jahren in Kontakt, als er Landwirte bei der Errichtung von Einzelwindkraftanlagen beriet. 1996 gründete er mit seinem Partner Dr. Gernot Blanke die wpd GmbH und 2004 die Deutsche Windtechnik AG, mit heute zusammen über 4000 Beschäftigen, die weltweit Windparks und Solarparks projektieren und betreiben. Er ist Vorsitzender der Günther-Grass-Stiftung Bremen und seit 2024 neuer Betreiber des Klimahauses in Bremerhaven, das er in Form einer gemeinnützigen GmbH weiterführen und dessen Potenzial als Ort für einen fundierten wissenschaftlichen Diskurs er heben will. Als Immobilienprojektentwickler realisiert er z.Zt. in der Bremer Überseestadt die Überseeinsel, ein neues Quartier zum Wohnen und Arbeiten.
Informationen zum Neuen Hulsberg-Viertel: www.neues-hulsberg.de