Jeder Tag ist anders

Thomas Krüger, seit 2020 techni­scher Projekt­leiter bei HAMBURG TEAM

Jeder Tag ist anders

Stadt­PlanInside

Wenn die Planungen für das Projekt abgeschlossen sind und die Bauge­neh­mi­gung erteilt ist, dann beginnt die Zeit der Baustelle – Wirkungs­stätte unserer techni­schen Projekt­leiter. Wir haben unseren Berliner Kollegen Thomas Krüger gebeten, uns seine Tätig­keit dort näher­zu­bringen. Derzeit ist „seine“ Baustelle das Projekt Kurfürs­ten­straße, ein Service Develo­p­ment, das wir für die Jahr-Holding ausführen und ein Bürohoch­haus, das seit 2021 in Berlin-Mitte aus dem Boden wächst.

Thomas, was ist deine Rolle, wenn ein Projekt in die Bauphase kommt?
Wofür bist du zuständig?

Ich sag immer, ich fühl mich so wie ein Kapitän, der das Steuer fest in der Hand haben muss, um sein Boot sicher navigieren zu können. Denn es gibt schon Tage, da kommst du auf die Baustelle und bist auf einmal mit einem ganz neuen Thema konfron­tiert. Dann musst du schnell reagieren können und eine Lösung parat haben. Auch wenn wir nicht in der Position des General­un­ter­neh­mers (GU) sind, steuern wir die Fachplaner, Nachbarn, Behörden und Sachver­stän­digen, und im Fall der Kurfürs­ten­straße kommen noch die Kommu­ni­ka­tions-, Abstim­mungs­pro­zesse mit dem Bauherrn dazu, in dessen Auftrag wir ja bauen. Das bedeutet, dass man sich auf viele Menschen einstellen muss, die das Geschehen auf der Baustelle unter sehr unter­schied­li­chen Blick­win­keln und Inter­essen bewerten. Deshalb könnte man sagen, ich bin so etwas wie der Gesamt­ma­nager der Baustelle, der das ganze Spannungs­feld positiv im Blick hat.

Baustelle vom Projekt Kurfürstenstraße© HAMBURG TEAM
Baustelle vom Projekt Kurfürstenstraße© HAMBURG TEAM

Rückwär­tige Ansicht des Neubaus mit Innenhof, in dem sich die Baustel­len­ein­rich­tung befindet

Was magst du an deiner Arbeit besonders?
Beson­ders ist für mich, dass wir immer wieder einzig­ar­tige Gebäude und nachhal­tige Werte schaffen. Am Ende steht da ein Haus, in dem Menschen leben, wohnen oder arbeiten. Doch bis es so weit ist, gibt es eine Zeit inten­siver Zusam­men­ar­beit vor Ort mit Kollegen, Fachpla­nern, Polieren, Vorar­bei­tern etc. Im Alltag auf der Baustelle ist es unerläss­lich, lösungs­ori­en­tiert zu handeln, d.h. man muss auch in kurzer Zeit eine Entschei­dung treffen. Das ist nicht immer das einfachste. Aber wenn man am Ende das Ergebnis sieht, freut man sich und atmet auf. Ich vergleiche das Ganze immer gern mit einem Marathon, bei dem man sich die Kraft und Energie bis zum Schluss gut einteilen muss. Wir Techniker bewegen uns bei diesem Lauf in einem konti­nu­ier­li­chen Spannungs­feld zwischen Zeit, Kosten und Qualität.

Sind für dich eigent­lich alle Baustellen gleich?
Nein. Es gibt zwar immer dieselben Abläufe und dazuge­hö­rigen Prozesse (Lean Construc­tion, d.h. Baugrube, Rohbau und dann die Ausbau­phase, aber Archi­tektur und Fassade sind ja immer anders und beson­ders. Für mich ist jedes Bauvor­haben indivi­duell und einzigartig.

Baustelle vom Projekt Kurfürstenstraße© HAMBURG TEAM

Lasttürme für die Verscha­lung in der Eingangshalle

Was macht für dich eine gut funktio­nie­rende Baustelle aus?
Zunächst einmal muss es eine gute Kommu­ni­ka­tion geben. Das ist die Grund­lage für eine wertschät­zende Zusam­men­ar­beit. Dann ist man motiviert, die Arbeit geht einem leichter von der Hand. Klar gibt es auch mal Stress und Meinungs­ver­schie­den­heiten, aber wichtig ist, dass der Baupro­zess partner­schaft­lich verläuft. Ich sag immer, Vertrag kommt von vertragen. Man braucht sich eben gegen­seitig. Da hilft es natür­lich, wenn man mit bekannten Partnern baut, mit denen sich die Zusam­men­ar­beit schon bewährt hat. Für mich ist beson­ders wichtig, dass die TGA-Planung (Techni­sche Gebäu­de­pla­nung) gut besetzt ist. In diesem Bereich sind in den letzten Jahren viele neue komplexe Themen dazuge­kommen (Solar­thermie, Geothermie, PV-Anlagen, E-Mobility, Wasser­rück­hal­tung, Wärme­rück­ge­win­nung und Zerti­fi­zie­rungen bzw. Förde­rungen). Dafür braucht man profes­sio­nelle und verläss­liche Partner.

Andere wichtige Themen sind die Baustel­len­ein­rich­tung und die Andie­nung sowie die Aufrecht­erhal­tung vorhan­dener Versor­gungs­in­fra­struk­turen, wie in diesem Fall z.B. Fernwär­me­lei­tungen, die umlie­gende Häuser versorgen. Wir bauen selten auf der grünen Wiese, sondern zumeist im schon sehr verdich­teten städti­schen Raum, wie es auch bei der Kurfürs­ten­straße der Fall ist, die sich an einer viel befah­renen großen Kreuzung befindet. Die Andie­nung ist hier nicht einfach. Dazu haben wir uns aber schon sehr früh zusammen mit dem GU Gedanken gemacht. Und wenn dann, so wie hier, in der Praxis alles gut funktio­niert, dann macht einen das auch schon ein bisschen stolz.

Unter­scheidet sich die Kurfürs­ten­straße von anderen Baustellen, die du betreut hast? Welche beson­deren Heraus­for­de­rungen gibt es hier?
Ich habe früher bereits Büro-Baustellen gebaut und gesteuert, aber die Kurfürs­ten­straße ist ein Hochhaus, hat also eine andere Dimen­sion und andere techni­sche Anfor­de­rungen. Der Abriss, der darauf­fol­gende Spezi­al­tiefbau und die Baugrube waren sehr aufwendig und heraus­for­dernd. Die Beson­der­heit bei diesem Bauvor­haben ist die verblei­bende, die Baugrube umgebende Schlitz­wand mit einer Stärke von 80 cm. Sie ist gleich­zeitig die tragende Außen­wand der Unter­ge­schosse. In diese Außen­wand wurden die Boden­platten sowie die Geschoss­de­cken mittels Stahl­ver­bund­bau­weise und einem aufwen­digen Abdich­tungs­kon­zept einge­spannt. Darüber hinaus wurden ca. 130 Bohrpfähle als Setzungs­bremse errichtet. So eine aufwen­dige Baugrube habe ich vorher noch nie in diesem Umfang begleitet.

Baustelle vom Projekt Kurfürstenstraße© HAMBURG TEAM

Straßen­an­sicht der Baustelle an der Ecke Kurfürstenstraße/Schillstraße

Dann gibt es hier schon sehr komplexe Anfor­de­rungen an das Gebäude: die imposante Natur­stein­fas­sade, die Hochhaus­richt­li­nien und die gesamte Haustechnik sowie die Anfor­de­rungen an ein energie­ef­fi­zi­entes Büroge­bäude. Außerdem werden wir die Vorgaben für das DGNB-Platin-Zerti­fikat erbringen. Das ist das in Deutsch­land derzeit höchste Green­buil­ding-Zerti­fikat. Doch es wird nur verliehen, wenn alle Werte und Krite­rien stimmen. D.h. man muss ständig nachhalten, dass Bauun­ter­nehmer und Planer das nicht aus dem Auge verlieren.

Was war die kompli­zier­teste „Baustel­len­auf­gabe“, die du bislang zu lösen hattest?
Dazu fallen mir zwei Sachen ein. Einmal hatten wir es bei einer Baustelle mit ölver­seuchten Decken im Bestands­ge­bäude zu tun. Da ging es dann darum, wie sanieren wir das fachge­recht. Denn auch der Geruch, auch wenn er nicht schäd­lich war, musste besei­tigt werden. Über die IHK haben wir dann Kontakt zu einem Sachver­stän­digen bekommen, so ein richtiges Berliner Urgestein mit sehr viel Erfah­rung. Mit dem zusammen haben wir gemeinsam eine gute prakti­sche Lösung entwi­ckelt.
Die andere Sache betraf Beson­der­heiten in einer Luxus­im­mo­bilie. Dort sollten zwei Jacuzzi, einer davon auf einer Dachter­rasse, der andere im Bad, unter­ge­bracht werden. Dazu mussten spezi­elle Trans­portöff­nungen in der Wohnung herge­stellt werden. Außerdem galt es bis zu 20 m lange Dielen zu trans­por­tieren und zu verbauen. Da mussten Lösungen gefunden werden.

Baustelle vom Projekt Kurfürstenstraße© HAMBURG TEAM

Mensch-Gebäude-Dimen­sion in der zukünf­tigen Eingangs­halle des Gebäudes

Was sind deine schönsten Baustellen-Momente?
Die schönsten Momente sind für mich, wenn Bauab­schnitte geschafft sind und man sich mit den Menschen, die täglich vor Ort sind, zusam­men­setzt und das ein bisschen feiert und Spaß zusammen hat. Das sind einfach die Momente, in denen ich weiß, warum ich diesen Job mache. Und ein echtes Highlight ist natür­lich die finale Schlüs­sel­über­gabe an den Bauherrn.

Gibt es auch so etwas wie Rituale für dich auf der Baustelle?
Na ja, eigent­lich ist es vergleichbar mit dem Start morgens im Büro. Man holt sich erst einmal einen Kaffee, geht dann über die Baustelle, spricht mit den Leuten, schaut, ob alles läuft. Bei der Kurfürs­ten­straße gibt es aller­dings noch ein anderes kleines Ritual, das schon viele zum Schmun­zeln gebracht hat. Da habe ich in die FLB (Funktio­nale Leistungs­be­schrei­bung) reinschreiben lassen, dass bei den wöchent­li­chen, langen Baube­spre­chungen immer eine Schale mit Haribos auf dem Tisch steht. Wir führen die Bespre­chungen durch und proto­kol­lieren sie, und unser GU sorgt für die „Nerven­nah­rung“. Ich glaube, das finden alle gut.

Thomas Krüger© Sinje Hasheider

„Die Arbeit auf der Baustelle ist für mich vergleichbar mit einem Marathon. Ausdauer, Weitsicht, Geduld, Nerven­stärke und eine gehörige Portion Spaß bringen dich ins Ziel, d.h. zu einem abnah­me­r­eifen, funkti­ons­fä­higen Gebäude.“

Thomas Krüger, techni­scher Projekt­leiter bei HAMBURG TEAM

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