Was ist … eine Schwammstadt?

Was ist …
eine Schwammstadt?

Stadt­PlanWas ist … ?

Vor dem Hinter­grund des Klima­wan­dels müssen sich Städte verstärkt mit Themen wie Hitze, Trocken­heit und Stark­regen ausein­an­der­setzen und Maßnahmen zur Eindäm­mung der Auswir­kungen treffen. In diesem Kontext gewinnt das Konzept der „Schwamm­stadt“ zuneh­mend an Bedeu­tung. Der in China geformte Begriff der „Sponge City“ beschreibt in der Stadt­pla­nung das Ziel, Flächen zu konzi­pieren, die große Mengen an Regen­wasser aufnehmen und später zeitver­zö­gert wieder abgeben können. Statt es in die Kanali­sa­tion abzuleiten, soll es lokal zurück­ge­halten werden bzw. am Ort der Entste­hung versi­ckern oder verdunsten. Eine Stadt, die sich wie ein Schwamm vollsaugen kann, ist hierfür das Sinnbild. Im besten Fall soll zurück­ge­hal­tenes Wasser später, in trocke­neren Zeiten, für die Bewäs­se­rung von Bäumen und Grünan­lagen zur Verfü­gung stehen. Auf diese Weise können Schäden aufgrund von Stark­re­gen­er­eig­nissen vermieden und Phasen von Trocken­heit besser überbrückt werden. Der Schutz vor Überschwem­mung geht hier Hand in Hand mit einer zielori­en­tierten Nutzung der Ressource Wasser.

© Umweltbundesamt

Infografik Schwamm­stadt vom Umweltbundesamt

Wesent­liche Maßnahmen im Rahmen des Schwamm­stadt­prin­zips sind die Anlage von Reten­si­ons­flä­chen in Form von Reten­si­ons­dä­chern, Versi­cke­rungs­mulden, Zisternen und Rigolen. Letztere sind unter­ir­di­sche Speicher, die Wasser auffangen und langsam versi­ckern lassen. Gründä­cher und Grünfas­saden, versi­cke­rungs­fä­hige Pflas­te­rungen und eine insge­samt stärkere Durch­grü­nung der Stadt mit Verduns­tungs­beeten und künst­li­chen Wasser­flä­chen ergänzen diese Maßnahmen, wirken dem Aufheizen der Städte im Sommer entgegen, filtern die Luft von Feinstaub und verbes­sern die Lebens­qua­lität für die Stadt­be­völ­ke­rung. In diesem Zusam­men­hang wird auch von den blau-grünen Infra­struk­turen einer Stadt gespro­chen, die im Rahmen der Stadt­ent­wick­lung einen immer höheren Stellen­wert bekommen.

© chuttersnap/unsplash.com

Dachgarten auf einem Gebäude in Queen­stown, Singapur

Inter­na­tio­nale Beispiele für Städte, die einen Umbau in Richtung klima­re­si­li­ente Stadt forcieren, sind zum Beispiel Singapur mit seinem „Singa­pore Green Plan 2030“. Die Stadt, die mit hohen Tempe­ra­turen zu kämpfen hat und deren unzäh­lige Klima­an­lagen die Umwelt noch mehr aufheizen, hat in diesem 2021 verab­schie­deten Plan eine Vielzahl an Maßnahmen fixiert, die das Mikro­klima verbes­sern und die Stadt abkühlen sollen. Der Fokus liegt hier vor allem auf der drasti­schen Erhöhung der Grünflä­chen, bei dem Dach- und Fassa­den­be­grü­nungen eine zentrale Rolle spielen.

In Europa ist der „Skybruds­plan“, der „Wolken­bruch­plan“ Kopen­ha­gens ein Vorbild dafür, wie sich der Umbau zur Schwamm­stadt facet­ten­reich, effektiv und optisch anspre­chend umsetzen lässt. Er wurde nach den sintflut­ar­tigen Regen­fällen in Kopen­hagen im Sommer 2011 ins Leben gerufen. Der Stark­regen setzte damals die Innen­stadt bis zu einem Meter unter Wasser und richtete immense Schäden im dreistel­ligen Millio­nen­be­reich an. Seitdem wurde für die Stadt ein Entwäs­se­rungs­kon­zept mit mehreren hundert Einzel­pro­jekten entwi­ckelt. Es besteht auf einem Mix aus gut vernetzten unter­ir­di­schen Anlagen zur Ablei­tung und Stauung von Wasser, aus Parks und Sport­stätten, die bei Stark­regen als Rückhal­te­flä­chen fungieren können, aus speziell angelegten Fahrrad- und sonstigen Wegen und Straßen, die im Notfall das Wasser wie Flüsse in Regionen lenken, wo es aufge­fangen werden kann, sowie aus zahlrei­chen Entsie­ge­lungs- und Begrü­nungs­maß­nahmen. Gleich­zeitig zahlen diese Maßnahmen im öffent­li­chen Raum auf die Verbes­se­rung urbaner Lebens­qua­lität ein, schaffen neue Freizeit- und Begeg­nungs­flä­chen und werten das Stadt­bild auf. Ein beson­ders schönes Beispiel ist der urbane ØsterGRO-Garten im Stadt­teil Østerbro, der auf dem Flach­dach eines ehema­ligen Autoauk­ti­ons­ge­bäudes entstanden ist. Dort werden Obst und Gemüse angebaut, die wiederum direkt vor Ort im Restau­rant Gro Spiseri verzehrt werden können. Nur ein kleiner Teil der Kosten für die Projekte des Wolken­bruch­plans wird aus Steuer­mit­teln finan­ziert. Der größte Teil wird über eine Umlage abgedeckt, die die Wasser­werke von Unter­nehmen und Haushalten einziehen – dank eines Bürger­be­tei­li­gungs­ver­fah­rens mit insge­samt guter Akzeptanz.

In Deutsch­land wird der Umbau zu klima­re­si­li­enten Städten z.B. in Berlin und Hamburg über Insti­tu­tionen wie die Berliner Regen­agentur oder in Hamburg über das RISA-Projekt und die Gründ­ach­stra­tegie voran­ge­trieben. In Berlin muss bereits seit 2018 jedes Neubau­pro­jekt ein eigenes Regen­wasser-Bewirt­schaf­tungs­kon­zept vorlegen, um zu vermeiden, dass Regen­wasser in die Kanali­sa­tion einge­leitet wird. Und große Projekte wie das neue Stadt­quar­tier „Buckower Felder“ in Berlin-Neukölln, wo derzeit 900 neue Wohnungen entstehen, werden von vornherein nach dem Prinzip der Schwamm­stadt reali­siert. Auch in Hamburg wird jedes Neubau­pro­jekt mit der Auflage einer Nieder­schlags-Einleit­be­gren­zung bedacht, insbe­son­dere um die Überlas­tung der Misch­was­ser­siele zu reduzieren. Das führt zwangs­läufig dazu, dass in jedem Projekt ein Regen­wasser-Bewirt­schaf­tungs­kon­zept erarbeitet werden muss. Das Hamburger Pendant zur Berliner Regen­was­ser­agentur ist das Projekt RISA (= Regen­In­fra­Struk­tur­An­pas­sung). Es ist gleicher­maßen Netzwerk und Infor­ma­ti­ons­platt­form zum Thema Schwamm­stadt. Ein Förder­pro­gramm unter­stützt finan­ziell Projekte, die auf das Prinzip der Schwamm­stadt einzahlen. Ziel der Hamburger Gründ­ach­stra­tegie ist es, mindes­tens 70 Prozent sowohl der Neubauten als auch der geeig­neten zu sanie­renden, flachen oder flach geneigten Dächer zu begrünen. Auch hier werden Anreize durch Förder­mittel geschaffen.

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Pocket Park im Löwitz Quartier in Leipzig

© bgmr Landschaftsarchitekten

Tempo­räre Einstau­funk­tion im Pocket Park bei Starkregenereignissen

Dieser verän­derte Blick­winkel in der Stadt­ent­wick­lung zeigt sich in der Projekt­ent­wick­lung in Form von entspre­chenden Anfor­de­rungen an das Regen­was­ser­ma­nage­ment bei Neubau­pro­jekten. Je nach Ort und Umfeld soll anfal­lendes Regen­wasser auf dem Baugrund­stück selbst abgefangen und nicht mehr bzw. nicht mehr in vollem Umfang in die Kanali­sa­tion einge­leitet werden. Die Quartiers­ent­wick­lung Löwitz Quartier, im Zentrum von Leipzig gelegen, ist hier zukunfts­wei­send. Auf allen privaten Baugrund­stü­cken muss dort das Regen­wasser zu 100 Prozent aufge­nommen werden und es darf keine Einlei­tung in die Kanali­sa­tion erfolgen. Ermög­li­chen tut dies die Anlage von Gründä­chern, Versi­cke­rungs­mulden, Verduns­tungs­beeten, Rigolen und Baum-Rigolen. Bei Letzteren wird unter der Baumgrube eine mit Kies gefüllte Boden­wanne einge­bracht, die Sicker­wasser auffängt und es für spätere Trocken­phasen vorhält. Für Stark­re­gen­er­eig­nisse wurden die Pocket Parks der Quartiers­ent­wick­lung durch teilweise Absen­kung des Boden­ni­veaus mit Flutmulden ausge­rüstet, die temporär Wasser aufstauen können, das dann über Versi­cke­rungs­an­lagen zeitver­zö­gert abläuft.

Hainwerk Innenhof© bloomimages

HAINWERK: Hier steht auf Innenhof und Terrassen alles auf Grün

Visualisierung des Innenhofs im Projekt HAINWERK in der Revaler Straße in Berlin© Grüntuch Ernst Architekten/bloomimages

Aufstieg im Grünen: vom Foyer über den Greenway zur Dachterrasse

Beim Projekt HAINWERK in Berlin werden mehrstu­fige Reten­ti­ons­dach­sys­teme auf 95 % der gesamten Dachfläche zum Einsatz kommen. Nieder­schlags­wasser wird in Zisternen gespei­chert und dient zur Bewäs­se­rung der extensiv begrünten Dachflä­chen, der Mieterter­rassen und des Innenhofs.

Wie sich zeigt, findet das Prinzip der Schwamm­stadt bei Neubauten zuneh­mend Anwen­dung. Heraus­for­dernd zeigt sich jedoch eine Anpas­sung des urbanen Bestandes an Gebäuden, Infra­struk­turen und Freiflä­chen. Entsie­ge­lung, Begrü­nung und die Integra­tion von Reten­si­ons­ele­menten sind auf dem Weg zur Schwamm­stadt die zentralen Ansatzpunkte.

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