Zeitloser
architektonischer Star
Das Bürogebäude Bei den Mühren 1 ist ein Kind der 1960er-Jahre. Anfang des 21. Jahrhunderts wurde es sorgfältig und im wahrsten Sinne des Wortes mit Weitsicht revitalisiert und ist heute zeitloser denn je.
Zwischen Katharinenfleet, Mattentwiete und Bei den Mühren markiert das 1961 erbaute schlanke Bürohaus den ehemaligen Haupteingang zur Speicherstadt am Zollkanal und die Einfahrt in die HafenCity. Das Gebäude gliedert sich in einen länglichen Baukörper und den angeschlossenen Zwischenbau, über den das Gebäude erschlossen wird. Dieser springt an Nord- und Südfassade aus der Gebäudeflucht des Nachbarhauses zurück und unterstützt damit den eigenständigen Charakter des Hauptbaus.
Im Rahmen der umfänglichen Revitalisierung, die zwischen 2000 und 2002 stattfand, wurde eine Vielzahl unterschiedlicher Maßnahmen umgesetzt. Der gesamte Bestand wurde entkernt, um ein 6. Obergeschoss und einen Anbau erweitert und mit einem neuen Innenausbau versehen. Horizontale Fensterbänder in der Südfassade ermöglichen heute in allen Etagen den Blick auf die Speicherstadt.
Blick auf Speicherstadt und Binnenhafen vom 6. Obergeschoss
Fensteröffnungen in der Südfassade des Haupthauses nach Umbau
Das aufgeständerte Hauptgebäude wurde im Erdgeschoss mit großen Glasscheiben geschlossen und damit ein geräumiges Foyer geschaffen, das nun den an die Mattentwiete verlegten Haupteingang beherbergt. Dabei stellen die Rücksprünge der Glasfassade an Nord- und Südfassade die Beziehung zum Zwischenbau her. Dadurch, dass die Glasfassaden hinter den Stützen verlaufen, bleibt der Eindruck eines aufgeständerten Gebäudes erhalten.
An der Rückseite, zum Katharinenfleet, wurde ein Anbau realisiert, der den Zwischenbau in seiner vollen Geschossigkeit erweitert. Dadurch konnten um die Sanitärkerne herum neue Archivflächen und zur Straße hin neue Büroflächen entstehen.
Schließlich wurde die gesamte Fassade des Gebäudes erneuert. Mit Ausnahme der beiden Stirnseiten des Hauptbaus erhielten alle Fassaden geschosshohe Fensterfronten. Die alte Betonfassade wurde durch eine Fassade aus grauen Alupaneelen ersetzt. Das „Highlight“ ist eine neu geschaffene Dachterrasse, die beeindruckende Blicke auf Innenstadt, Binnenhafen und Speicherstadt ermöglicht.
Die umfängliche Revitalisierung zeigt sich auch heute als ein gelungener Neuentwurf, der das Gebäude ganzheitlich aufgewertet und zukunftstauglich gemacht hat. Aktuell ist Bei den Mühren 1 der Firmensitz einer europaweit agierenden Agentur für digitale Kommunikation.
Das Gebäude vor dem Umbau bis 2000. Deutlich zu erkennen ist die Gliederung in Haupt- und zurückspringenden Zwischenbau
Altes Gebäude – neu gedacht
Für Hadi Teherani sind genaues Hinsehen und Einfühlungsvermögen für den jeweiligen Ort die Grundlage des architektonischen Entwurfs. Aus seiner Feder stammen die Pläne für die Revitalisierung des Gebäudes Bei den Mühren 1.
Hadi Teherani in seinem Büro am Elbberg. Die Hadi Teherani Group deckt heute die Bereiche Architektur, Innenarchitektur, Produktdesign und Consulting ab und ist international tätig.
Wie gehen Sie vor, wenn Sie ein Bestandsgebäude revitalisieren sollen?
Für mich ist die allererste Betrachtung immer sehr wichtig. Wenn ich mir einen Ort anschaue, dann sage ich stets: Der Entwurf ist schon da, du musst ihn nur noch erkennen. Jeder Ort hat so viele Bezüge. Wie liegt das Gebäude, was für Ausblicke hat es? Wenn man das alles erfasst und beantwortet, dann hat man eine maßgeschneiderte Lösung für die jeweilige Stelle gefunden.
Welche Bezüge waren ausschlaggebend für das Gebäude Bei den Mühren 1?
Zum einen war das der Städtebau. Der Block endete hier, und die Straße Bei den Mühren stellte mit der Brücke die Verbindung in die Speicherstadt her. Das heißt, an dieser Ecke konnte ein Hochpunkt stattfinden, und daher war eine Aufstockung hier richtig. Dann gab es die verschiedenen Blickachsen. Wenn man aus dem Gebäude schräg nach vorn schaut, guckt man direkt in das Hafenbecken. Nach Süden hin ist das Haus zur schönen Speicherstadt ausgerichtet, zu dieser Seite hin hat es aber leider eine geschlossene Fassade. Früher hat man Gebäude eher gegen Wind und Wetter schützen wollen und Fassaden daher oft an der schönsten Seite nicht geöffnet.
Zum anderen mussten wir natürlich untersuchen, ob das Gebäude standfest ist, ob es die Kriterien erfüllt, die für einen Umbau notwendig sind. In diesem Fall waren die Raumhöhen etwas grenzwertig, denn in den 60er- und 70er-Jahren hat man geringere Geschosshöhen gebaut, weil man damals noch keinen Doppelboden für die ganze Verkabelung brauchte. Deswegen werden die meisten Bürohäuser dieser Zeit auch abgerissen. Da wir das Gebäude aber insgesamt sehr schön fanden, kam ein Abriss nicht infrage. Stattdessen haben wir es einfach neu gedacht.
Was sah Ihr Neuentwurf vor?
Die Statik des Gebäudes gab nur ein Stockwerk für die Aufstockung her, sonst hätten wir die Stützen verstärken müssen, und das hätte sich von den Kosten her nicht mehr gelohnt. Also haben wir das 6. Stockwerk als überhöhtes Geschoss draufgesetzt. Das sonst sehr gleichförmig gestaltete Gebäude hat dadurch plötzlich so etwas wie einen Kopf bekommen, und in diesem Kopf passiert auch etwas. Es dreht sich alles zum Wasser hin. Nach vorn raus haben wir die Fenster ein bisschen schräg gestellt, um den Blick in die richtige Richtung zu lenken. Darin verbirgt sich gleichzeitig eine kleine Spielerei, die mit der nahen Elbe zusammenhängt. Durch die Schrägstellung erhalten die Scheiben so etwas Leichtes, erinnern an die schräg gestellten Segel der Boote auf der Elbe und bringen Bewegung in das oberste Geschoss.
Gleichzeitig haben wir die Fassade in Richtung Süden durch ein großes Fenster geöffnet und in diese Wand auch in den darunterliegenden Geschossen Fensterschlitze reingeschnitten, um den schönen Ausblick auf die Speicherstadt zu gewähren. Mit diesen Dingen haben wir eigentlich das Maximale an Ausblicken realisiert, die der Ort hergibt.
Bei all diesen Maßnahmen ist es wichtig, dass man die Proportionen des Gebäudes erkennt und sie im Rahmen der Revitalisierung verbessert und nicht verschlechtert. Durch die Veränderungen ist das Gebäude jetzt quasi aufgewacht. Es steht an einer städtebaulich bedeutsamen Stelle, am Haupteingang zur Speicherstadt und an einer wichtigen Verbindungsachse in die HafenCity hinein. Diese Bedeutung war uns damals nicht klar, denn die HafenCity gab es ja noch nicht. Rückblickend haben wir dort trotzdem alles richtig gemacht.
Was hat für Sie bei diesem Gebäude den besonderen Reiz ausgemacht? Es ist ja im Vergleich zu Ihren sonstigen Architekturwerken ein eher kleineres Projekt gewesen.
Als Erstes reizt mich bei jedem Projekt immer die Aufgabe. Wir machen ja auch sehr viel kleinere Behausungen, wie zum Beispiel Vogelhäuser. Das kleinste Objekt, das wir mal designt haben, waren Manschettenknöpfe für Montblanc. Man muss mit kleinen Dingen genauso umgehen können wie mit großen. Deswegen haben wir uns mittlerweile breiter aufgestellt, machen neben Architektur und Innenarchitektur auch Produktdesign. Das zeigt, dass wir in verschiedenen Maßstäben denken können. Wenn man mich fragt, welches meiner Projekte ich am besten finde, dann sage ich immer: das, an dem ich gerade sitze, denn da bin ich gerade gefordert. Für mich liegt also der Reiz bei jedem Projekt darin, Dinge zu entdecken, wahrzunehmen und sie dann in Lösungen umzuwandeln. Die Größe spielt dabei keine Rolle.