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Erdge­schosse könnten zu Impuls­ge­bern für den Markt werden

Die neue Erdgeschoss-Studie 5.0 ist soeben erschienen© bulwiengesa

Erdge­schosse könnten zu Impuls­ge­bern für den Markt werden

PresseProjekt­ent­wick­lung

Vitale Erdge­schosse können nach der Bau- und Stadt­ent­wick­lungs­krise ein Schlüssel für neue Impulse sein. Dabei spielt die Entwick­lung des Bestandes eine immer wichti­gere Rolle. Zwar sind Einzel­handel und Gastro­nomie immer noch die vorherr­schenden Nutzungen, doch macht ein breites Nutzungs­spek­trum Erdge­schosse krisen­fester und leben­diger. Dabei gilt es, auf demogra­fi­sche und soziale Verän­de­rungen im Quartier zu reagieren und bestimmte archi­tek­to­ni­sche Grund­vor­aus­set­zungen, auch in der Freiraum­pla­nung, umzusetzen.

Dies sind die Kerner­geb­nisse zweier Workshops der fünf Akteure, die die vier grund­le­genden Dimen­sionen von vitalen Erdge­schossen in der Kurzstudie „Projekt Erdge­schoss 5.0“ zusam­men­ge­tragen haben.

Sozio­lo­gi­sche Dimen­sion: Demografie und Milieu im Blick

Erdge­schosse sind das soziale Abbild eines Quartiers. In ihren jewei­ligen Milieus sind sie ökono­misch resilient – wenn auch auf unter­schied­li­chen Mietni­veaus. Nur eine sehr genaue Bestim­mung des sozialen Milieus im Quartier ermög­licht Restau­rants, Imbissen, Bouti­quen und Fachge­schäften, ihre lokale Zielgruppe zu errei­chen. Eine Shisha-Bar funktio­niert in einem migran­tisch geprägten Quartier, eine Kaffee­rös­terei im Wohlstands­quar­tier, ein Budget-Hotel im touris­ti­schen Hotspot.

Zentrale Größen sind die Bewohner- und Frequenz­struktur. Diese Struk­turen sind über die Jahre fließend – demogra­fi­sche Verän­de­rungen prägen Erdgeschossnutzungen.
Dr. Joseph Frechen, Bereichs­leiter Einzel­handel bei bulwi­en­gesa: „Der Einkaufs­bummel bleibt beim Innen­stadt­be­such das vorran­gige Motiv – noch. Denn: je jünger, desto seltener. Bei jüngeren Menschen haben auch in Quartiers­zen­tren Bildung, Gastro­nomie etc. eine hohe Bedeu­tung. Bei der Neuge­stal­tung von Erdge­schossen gilt es, die demogra­fi­sche Entwick­lung und den Mikro­standort im Blick zu halten.“

Ökono­mi­sche Dimen­sion: Entwick­lung des Bestands wird Hauptaufgabe

Vitale Erdge­schosse können ein Schlüssel sein für neue Impulse, die es nach der Bau- und Stadt­ent­wick­lungs­krise braucht. Die Krise hat Projekt­ent­wick­lungen ausge­bremst, wie ein Blick in die bulwi­en­gesa-Daten zeigt: Vom zweiten Quartal 2022 bis zum zweiten Quartal 2023 sind die Baustarts in Deutsch­land schon um 4 Mio. qm von knapp 6,8 Mio. qm auf 2,8 Mio. qm gefallen. Diese Tendenz wird weiter anhalten und sowohl Wohnungs- als auch Büroneubau deutlich und langfristig bremsen.

Michael Ehret, Gründer und Beirat von ehret+klein: „Die Krise dreht die bishe­rige Logik auf Jahre um: Nicht dort, wo gebaut wird, müssen vitale Erdge­schosse entstehen, sondern dort, wo vitale Erdge­schosse bestehen, kann in Zukunft wieder gebaut werden.“ Beson­ders mittel­große Gebäude aus den 1950er- und 60er-Jahren können gute Anker­funk­tionen für eine Trans­for­ma­tion auch im Umfeld haben. Ehret: „Trans­for­ma­tion und Projekt­ent­wick­lung im Bestand gewinnen an Bedeu­tung. Das erfor­dert einen wachen Blick für die Möglich­keiten und Qualitäten.“

Einzel­handel bleibt neben Gastro­nomie und nur wenigen ergän­zenden privaten und öffent­li­chen Dienst­leis­tungen die tragende Säule vitaler Quartiers­zen­tren. Dabei werden statio­närer Einzel­handel und E-Commerce auf abseh­bare Sicht eine Symbiose eingehen. Wichtiger Fakt ist, dass Online-Werbung zuneh­mend zu teuer und unwirt­schaft­lich ist. Die Chance von digitalen Angeboten liegt in der Förde­rung von indivi­du­ellen („Craft“) statt skalierten Angeboten (Ketten) in Quartieren. Online­handel und Erdge­schosse sind objektiv gesehen nur bedingt ein Gegensatzpaar.

In Quartieren werden digitale Infor­ma­tionen zu Waren und Gastro­no­mie­an­ge­boten zusehends relevanter für eine gewünschte lokale Indivi­dua­li­sie­rung des Angebotes in Erdge­schossen. Bestell- und Liefer­ser­vices stützen eine Belebung von lokalen Angeboten und Marken jenseits der skalierten Filialstrukturen.

Das Mietspek­trum für Laden­ein­heiten in Erdge­schossen ist breit sowie von Standort und Nutzung abhängig. Das Autoren­team hat in den Workshops die Korri­dore heraus­ge­ar­beitet, in denen Erdge­schosse in Deutsch­land je nach Situa­tion kalku­liert werden können. Die Durch­schnitts­mieten haben eine enorme Bandbreite: zwischen 118,50 Euro/qm in 1A-Lagen in A-Städten und 7,80 Euro/qm in Stadt­teil­lagen in D-Städten. Reiner Götzen, geschäfts­füh­render Gesell­schafter INTERBODEN: „Ein Quartier, das konzep­tio­nell und ökono­misch im Düssel­dorfer Norden noch vitale Erdge­schoss­nut­zungen ermög­licht, kann in kleineren Städten der Peripherie schon nicht mehr reali­sierbar sein. Wir brauchen ökono­misch tragfä­hige Lösungen jenseits der Hotspots“.

Breite Nutzungs­pa­lette macht Erdge­schosse widerstandsfähiger

Die Waren­gruppen Textil und Gastro­nomie stellen seit Jahren die stärksten Nachfra­ger­gruppen für Laden­ein­heiten und vereinen über 50 % der Vermie­tungen auf sich. Der Textil-Sektor konnte 2022 das Volumen sogar entgegen weit verbrei­teter Meinung wieder steigern. Auch Telekom­mu­ni­ka­tion und Elektronik steigen stetig an.

Bastian Humbach, Geschäfts­führer HAMBURG TEAM Gruppe: „In vielen Quartieren öffnet sich das Spektrum an Nutzungen bereits in Ergän­zung des Einzel­han­dels. Gastro­nomie, haushalts­nahe Dienst­leis­tungen oder Allge­mein­wohl orien­tierte Angebote gewinnen an Bedeu­tung, vor allem in den weniger zentralen Lagen. Aller­dings sind manche Quartiere gar nicht fähig, neue oder neu gestal­tete vitale Erdge­schosse tragfähig zu halten.“

Erprobte Einzel­han­dels- und Dienst­leis­tungs­for­mate haben klar definierte Einwoh­ner­kenn­größen (plus ggf. Beschäf­tigte und Besucher) für tragfä­hige Laden­kon­zepte. Ungefähr 40 % des Einwoh­ner­po­ten­zials können einem Betrieb als Kernpo­ten­zial zugeordnet werden.

Frequenz ist erfolgsentscheidend

Vitale Erdge­schosse leben vom Fußgän­ger­ver­kehr. Frequenzen in verschiedenen
Dimen­sionen sind eine Grund­vor­aus­set­zung für Erdge­schosse. Die oftmals im öffent­li­chen Besitz befind­li­chen, vorge­la­gerten Zonen von Laden­flä­chen haben eine hohe Aufmerk­sam­keit verdient. Deren Gestal­tung, die in der Zustän­dig­keit der Kommunen liegt, können sehr wertvolle Impulse für vitale Erdge­schosse in Quartieren geben.

Reiner Nagel, Vorstand der Bundes­stif­tung Baukultur: „Archi­tek­to­ni­sche Grund­vor­aus­set­zungen sind – beson­ders im Quartier – Einseh­bar­keit der Erdge­schosse und ein einla­dender Gebäu­de­an­tritt. Dem steht ökono­misch an vielen Stellen in Deutsch­land ein Optimie­rungs- und Effizi­enz­zwang entgegen. Hier sollten niedrig­schwel­lige Sonder­nut­zungs­ver­ein­ba­rungen mit den Städten mehr Leben­dig­keit schaffen und Zugangs­schranken abbauen.“

Resilienz erfor­dert Gebäude und Flächen­an­ge­bote, die sichtbar, klima­tisch angenehm,
ökono­misch handhabbar sind. Dabei ist auch das Thema Dichte als städte­bau­li­ches Thema gerade unter Ressourcen-Gesichts­punkten zentraler Diskus­si­ons­punkt geworden.

Als aktuell zeitge­mäßes Fazit kann man festhalten: In den kommenden Jahren, die absehbar von einer gravie­renden Bau- und Stadt­ent­wick­lungs­krise in deutschen Städten gezeichnet sein werden, werden reine Neubau­quar­tiere eine spürbar gerin­gere Rolle spielen als in den zurück­lie­genden 2010er-Jahren. Neu belebte Erdge­schosse mit Einzel­handel, Gastro­nomie, Dienst­leis­tungen und Gemein­wohl­an­ge­boten werden also abhän­giger von kluger Trans­for­ma­tion im Gebäu­de­be­stand, inner­städ­ti­schen Verkehrs­funk­tionen und Naturerlebnisräumen.

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