FRIDA -
ein Bund fürs Leben
Warum wollen immer mehr Menschen in Gemeinschaft leben? Die Zahl gemeinschaftlicher Wohnprojekte in Deutschland wächst. Doch bis das gemeinsame Dach über dem Kopf fertig ist, vergehen oft viele arbeitsreiche Jahre und nicht jedes Projekt erreicht die Zielgerade. Ein Besuch bei der Baugemeinschaft FRIDA im Neuen Hulsberg-Viertel in Bremen.
© HAMBURG TEAMAls Claus Langer beim Spatenstich der Baugemeinschaft FRIDA das Wort ergreift, um den rund 30 Versammelten noch einmal vor Augen zu führen, was sie alles schon erfolgreich gemeistert haben, fängt es prompt an zu regnen. Schirme werden aufgespannt, Kapuzen hochgeklappt, aber Langer lässt sich nicht aus dem Konzept bringen, erzählt von den ersten Treffen der jungen Baugemeinschaft im Jahr 2020, der Bewerbung um das Grundstück, der späteren Anhandgabe und der Baugenehmigung, die Ende 2024 kam. Schließlich treibt der zunehmende Regen doch alle unter das aufgebaute Zelt, das durch ein paar Böen gefährlich ins Wanken gerät. Nachdem Verpflegung und Gläser in Sicherheit gebracht sind, steht man dicht an dicht gedrängt unter dem Zeltdach und es wird munter geplaudert, während man sich über die Köpfe hinweg Platten mit Häppchen hin- und herreicht. Es herrscht eine fröhlich-vertraute Stimmung und es wirkt, als seien hier Menschen zusammengekommen, die bereits heute eine feste Gemeinschaft bilden, deutlich bevor sie tatsächlich eine Wohn- und Lebensgemeinschaft unter einem Dach sein werden.
Mit dem Spatenstich, so könnte man sagen, hat die Baugemeinschaft FRIDA, die zweite im Neuen Hulsberg-Viertel in Bremen, den Sprung aus der Theorie in die Praxis geschafft. „Jetzt muss ja nur noch das Haus gebaut werden“, sagt Jutta Unland und lacht. Sie ist nicht nur Mitbegründerin von FRIDA, sondern mit ihrem Büro auch die zuständige Architektin des Projektes. Nach einer von Höhen und Tiefen geprägten Findungsphase hat das Baugemeinschaftsprojekt FRIDA 2020 auf einem Wochenende in Worpswede so richtig Fahrt aufgenommen. Seitdem ist viel Arbeit in diesen Traum vom gemeinsamen Leben geflossen und die Gruppe hat beständig an Erfahrungen und an Mitgliedern gewonnen. Inzwischen sind alle Wohnungen bis auf zwei vergeben. Bis zum Einzug, der für den Jahreswechsel 2026/2027 geplant ist, wird die neue Wohngemeinschaft sicherlich komplett sein. Über 40 Menschen beginnen dann gemeinsam einen neuen Lebensabschnitt. Doch bis es so weit ist, steht für alle noch ein bisschen Arbeit an.
FRIDAs Geschichte
2020
Nach einer Findungsphase nimmt das Wohnprojekt Formen an. Suche nach Mitstreiter*innen, erste Infoveranstaltungen
25./26.09.2020
Erstes Planungswochenende der Baugemeinschaft, die damals aus etwa 10 Mitgliedern bestand, in Worpswede. Dort entsteht der Name FRIDA als weibliches Pendant zur Baugemeinschaft KARL, die 2019 bereits den Zuschlag für ein Grundstück an der Friedrich-Karl-Straße im Neuen Hulsberg-Viertel bekommen hatte.
15.12.2022
Einreichung der Bewerbung für das Grundstück Baufeld H im Neuen Hulsberg-Viertel
17.05.2023
Anhandgabe des Grundstücks
18.09.2024
Ankauf des Grundstücks
01.11.2024
Die Baugenehmigung liegt vor.
13.04.2025
Spatenstich und Beginn der Bauarbeiten
2026/2027
Fertigstellung und Einzug
Die Zukunft selbst gestalten
Plenumssitzung Anfang April in Bremen, kurz vor dem Spatenstich. Die FRIDAs kommen hierzu in den Weserterrassen unweit des Neuen Hulsberg-Viertels zusammen. Mit einem sogenannten Blitzlicht wird zu Beginn eine kleine Stimmungsumfrage gemacht. Wie es den Versammelten mit dem Ausblick auf den nun nahenden Spatenstich gehe, fragt Silvia Plücker in die Runde. Sie ist Gründungsmitglied bei FRIDA und Co-Moderatorin dieser Sitzung. Die Anwesenden bringen in wenigen Sätzen zum Ausdruck, was sie denken und fühlen. Da ist viel von Kribbeln im Bauch, von Freude und auch von Ungläubigkeit, dass es nun endlich real wird, die Rede. Bei einigen wird aber auch eine gewisse Müdigkeit ob der ganzen Aktivitäten und Anstrengungen, die FRIDA einem kontinuierlich abverlangt, spürbar. Andere bringen zum Ausdruck, dass sie viel Respekt haben vor dem, was doch noch an Arbeit bis zum Einzug vor ihnen liegt.
In der wöchentlich stattfindenden Plenumssitzung findet die gemeinschaftliche Arbeit und Abstimmung in der Gruppe statt. Hier wird diskutiert, abgestimmt und entschieden. Über die Gestaltung des Hauses, über Neuaufnahmen von Mitgliedern, über die Vergabe von Aufträgen. Die Aufbereitung der einzelnen Themen und entsprechenden Vorlagen erfolgt in den Arbeitsgruppen. Bei FRIDA gibt es davon zehn an der Zahl, darunter die AG Recht, die AG Finanzen, AG Architektur, die AG Grün, die AG Öffentlichkeit und die AG Konzept. Jedes Mitglied bringt sich zumindest in eine der AGs ein. Themen, die aus den AGs für das Plenum erarbeitet werden, finden sich dann später auf der Tagesordnung des Plenums, werden vorgestellt und besprochen. An diesem Abend ist besonders die AG Architektur gefragt. Sie hat Beschlussvorlagen für die anstehenden Auftragsvergaben erstellt. Es wird erläutert, verlesen, abgestimmt. Wer nicht vor Ort sein kann, hat vorher seine Stimme einem anwesenden FRIDA-Mitglied übertragen. Es folgen Berichte aus der laufenden Arbeit weiterer AGs. Systematisch und konzentriert wird die Tagesordnung der Sitzung abgearbeitet, die immer wechselnd von zwei Mitgliedern moderiert wird. Auffallend ist die disziplinierte Arbeitsatmosphäre. Wer sprechen möchte, hebt vorher die Hand.
Wolfgang Schneider, 75, kam aus Saarbrücken über Gießen auf den beruflichen Wegen der Informatik nach Bremen, ist heute „Un-Ruheständler“
„Ich glaube, mit zunehmendem Alter entwickelt der Mensch ein immer größeres Bedürfnis nach Fürsorglichkeit, ein Sich-gerne-kümmern-Wollen. Das erlebe ich bei mir, aber auch bei anderen ziemlich deutlich. Manche schaffen sich dann einen Hund an und bringen es da unter. Aber das ist nicht meins. Ich möchte anderen gerne etwas geben.“
In Deutschland gibt es heute eine große Bandbreite an Projekten gemeinschaftlichen Wohnens, Tendenz steigend. Bei Motivation und Konzept zeigen sich deutliche Unterschiede, je nachdem, wo die Gemeinschaften ihre Prioritäten setzen. Den Nährboden bilden in der Regel ökonomische, soziale und ökologische Aspekte. Daraus entwickelt jede Baugemeinschaft ihr eigenes Konzept. Längst ist auch bei den Verantwortlichen in der Stadtentwicklung angekommen, welche positiven Impulse Baugemeinschaften in den Quartieren setzen, dadurch dass sie moderne Wohnformen fördern, stabile Nachbarschaften bilden und in der Regel das Thema Nachhaltigkeit besonders im Blick haben. Bei der Rechtsform kann es sich um Genossenschaften (eG), Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) oder auch schlicht um eingetragene Vereine (eV) handeln. Es werden aber auch Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) gegründet. Eine spezielle Form stellt die rechtliche Verfassung in Form einer GmbH und eines Vereins dar. Dabei ist der Hausverein Gesellschafter bei der Haus-GmbH und übernimmt die Selbstverwaltung und Geschäftsführung. Der zweite Gesellschafter ist das sogenannte Mietshäuser Syndikat, ein Projektverbund, der deutschlandweit über 200 Projekte dieser Art miteinander verbindet. Durch sein Vetorecht bei Hausverkauf und Satzungsänderungen wird eine mögliche Reprivatisierung dauerhaft verhindert, da sich die beiden Gesellschafter nicht gegenseitig überstimmen können. In Bremen sind derzeit sieben Wohnprojekte Mitglieder im Mietshäuser Syndikat. Im Fall von FRIDA wurde die Rechtsform der GmbH & Co. KG gewählt, d.h. Grundstück und Haus gehören der Gesellschaft, den Kommanditist*innen wiederum die Gesellschaft, deren sechs Geschäftsführer*innen aus dem Kreis der Mitglieder stammen.
„So eine Gemeinschaft ist für mich ganz klar eine Prophylaxe, um nicht in Lebenssituationen steckenzubleiben, die dann nicht mehr änderbar sind. Entweder weil ich so versteinert bin oder weil es einfach keine finanziellen oder sonstigen Spielräume mehr gibt.“ (LM)
„Für mich bedeutet in Gemeinschaft leben, solidarisch zu sein miteinander, sich gegenseitig anzuregen und sich auszutauschen. Es bedeutet für mich letztendlich, eingebettet zu leben und trotzdem ich selbst sein zu können.“ (US)
Lothar Möhle, 58, gebürtiger Ostfriese, ist langjährig bei einem Wohlfahrtsverband in der psychosozialen Arbeit tätig.
Ute Schadek, 49, jüngstes Mitglied, mag die Bremer Vielfalt, hat als Landschaftsökologin beruflich sehr viel mit dem Netzausbau für erneuerbare Energien zu tun.
Für das Leben mit FRIDA verkaufen die Mitglieder Häuser und Eigentumswohnungen, aktivieren Rücklagen und Erbschaften. Insgesamt sind sie finanzstark. Dass das so ist, hat sicherlich auch etwas mit der Altersstruktur zu tun, denn die Mitglieder sind eher schon am Ende ihrer Berufstätigkeit angekommen, ein Teil befindet sich schon im Ruhestand. Die Altersspanne reicht von 49 bis 82 Jahre, das Durchschnittsalter liegt bei etwa 60 Jahren.
Bei KARL, der ersten Baugemeinschaft im Hulsberg-Viertel, die bereits 2024 in ihr Haus eingezogen ist, ist das anders. KARL ist eine Genossenschaft. 50 Erwachsene und 20 Kinder leben generationenübergreifend an der Friedrich-Karl-Straße zusammen. Die Schwerpunkte liegen auf einem solidarischen und basisdemokratischen Zusammenleben und dem Thema Nachhaltigkeit. Eine Offenheit gegenüber dem Stadtteil ist ihnen wichtig. Im Erdgeschoss befinden sich eine Kita, eine Bio-Backstube mit Café und ein Veranstaltungsraum, der vermietet wird. „Wir hätten auch gerne direkt im Konzept soziales Engagement festgeschrieben und hatten da viele Ideen“, sagt Silvia Plücker, „da sind wir aber durch die Grundstückskosten, die am Ende viel höher waren als kalkuliert, an unsere finanziellen Grenzen gekommen. Das empfinde ich persönlich als etwas bitter. Aber mal schauen, was wir da vielleicht doch noch machen können.“
Silvia Plücker, 63. Gemeinschaftserfahrungen zu machen, war immer das, worum es ihr ging. Gerade verabschiedet sie sich als Lehrerin aus der Berufstätigkeit.
„Ich finde dieses projekthafte Wohnen in Gemeinschaft eigentlich alternativlos, egal in welcher Konstellation, ob für Paare oder Einzelpersonen und insbesondere mit Kindern. Das klassische Familienmodell ist für mich ein Auslaufmodell, das selten funktioniert, dafür aber oft zu Lasten der Frauen geht, die nach Trennungen mit kleiner Rente später allein bleiben.“
Individualität und Gemeinschaft in Einklang bringen
Bei FRIDA kommen Menschen zusammen, die bislang unterschiedlich viele Erfahrungen mit dem Thema Leben in Gemeinschaft gemacht haben – oder auch gar keine. Im Leben von Silvia Plücker ging es nach ihren Worten eigentlich immer darum, Gemeinschaftserfahrungen zu machen. Das Thema zieht sich wie ein roter Strang durch ihr Leben. Ebenfalls WG-erprobt und praktisch zeitlebens interessiert an verschiedenen Konzepten sozialen Miteinanders ist Silke Alshuth, die FRIDA schon früh auf dem Radar hatte, dann aber zwischenzeitlich wieder Abstand nahm und erst 2022 fest beitrat. Bei Wolfgang Schneider, seit Herbst 2024 bei FRIDA, war zwar schon jahrzehntelang ein Interesse an Projekten gemeinschaftlichen Wohnens vorhanden, aber letztlich passte es dann nie. Bis FRIDA kam. Lothar Möhle und Ute Schadek, seit Sommer 2023 feste Mitglieder, kommen als Paar mit Hundedame Motte zu FRIDA und beschreiben es eher als Zufall, dass sie nun dabei sind, denn aktiv auf der Suche waren sie damals nicht. Er bringt viele Erfahrungen im gemeinschaftlichen Wohnen mit, sie ein immer schon vorhandenes großes Interesse daran und das sichere Gefühl, dass ihr das liegt und sie künftig gerne so leben möchte.
Allen Mitgliedern bei FRIDA gemeinsam ist, dass sie das Zusammenleben unter einem Dach wirklich wollen.
Die Frage ist aber auch, was man – neben dem Wunsch nach Gemeinsamkeit – mitbringen sollte, wenn man sich auf so ein Wohnprojekt einlässt. „Toleranz, ganz viel Toleranz“, sagt Silvia Plücker sofort. „Und Konfliktbereitschaft. Und Kommunikationsfähigkeit. Und man darf kein so aufgeblähtes Ego haben, sondern muss das Gemeinwohl im Fokus haben.“ Dann ergänzt sie noch schnell: „Und Humor“. Silke Alshuth nickt. „Genau, Humor ist sowieso immer gut und entspannt die Dinge. Und für mich ist auch Vertrauen in die anderen, dass die alle ihr Bestes geben, wichtig.“ Für Wolfgang Schneider steht bei dieser Frage Konfliktfähigkeit im Vordergrund. „Und die muss abgewogen werden mit Harmoniebedürftigkeit“, sagt er und sieht es für sich als Aufgabe, seine Grenzen zwischen beidem auszuloten. Auch sollte man über ein gewisses Durchhaltevermögen in schwierigen oder anstrengenden Phasen und ein gerütteltes Maß an Gemeinschaftsfähigkeit verfügen, ergänzt er. Für Ute Schadek muss es neben Toleranz auch Offenheit geben. „Man muss die Menschen so nehmen können, wie sie sind“, sagt sie. Und Lothar Möhle formuliert es so: „Man muss sich anderen Menschen zumuten mögen, und man muss dann im Gegenzug auch damit umgehen, dass andere Menschen das genauso tun. Und dann entsteht Gemeinschaft, und zwar nicht im Sinne von Kuscheln, sondern im Sinne von sich gegenseitig ernst nehmen und dazu gehört auch Abgrenzung.“
„Für mich war es mit FRIDA am Anfang ein bisschen wie Verliebtsein. Und als wir dann irgendwann beim Notar saßen und die Unterschrift geleistet haben, hat sich das ein bisschen wie heiraten angefühlt. Es ist ja wirklich etwas Großes. Wir schmeißen hier alle unsere Leben zusammen.“
Silke Alshuth, 55, ist Lehrerin an einer Grundschule und findet, dass eine beeindruckende Schwarmintelligenz entsteht, wenn wir unser Können zusammentun.
„In den letzten eineinhalb bis zwei Jahren, als das Projekt schon deutlich Formen angenommen hatte, ist die Gruppe sehr gewachsen“, erzählt Helke Napierala. Sie ist seit Anfang 2024 dabei und engagiert sich u.a. in der AG Neue Mitglieder und Öffentlichkeitsarbeit. „Wir haben viel Werbung gemacht. Zu den Infoveranstaltungen sind teilweise 60 bis 70 Leute gekommen, um sich zu informieren. Übrig geblieben sind dann zumeist drei oder vier, die sich dann wirklich interessiert haben.“ Für die Zeit des Kennenlernens bekamen die potenziellen Neuzugänge Pat*innen von FRIDA an die Seite gestellt, die für sie erste Anlaufstelle für die Beantwortung aller Fragen waren. Sie konnten auch an Plenumsveranstaltungen teilnehmen und in AGs reinschnuppern. Manchmal wurden speziell für sie noch weitere Treffen zum besseren Kennenlernen arrangiert. Wer sich dann sicher war, stellte einen Antrag auf Teilnahme und unterzog sich einem Finanzcheck bei einem externen Finanzberater, um vorab zu klären, ob der Wunsch vom gemeinsamen Leben auch auf soliden finanziellen Beinen steht. Die Entscheidung über Neuaufnahmen lag dann beim Plenum. Danach war das neue Mitglied stimmberechtigt. Etwas später erfolgte dann die Unterzeichnung des Gesellschaftervertrags beim Notar. Ist auch schon einmal ein potenzielles neues Mitglied abgelehnt worden? „Ja“, sagt Helke Napierala. „Es gibt die Möglichkeit ein Veto einzulegen, anonym, und das muss auch nicht erklärt werden.“ Sie hätte das bisher einmal miterlebt und bei der fraglichen Person selbst auch ein Grummeln im Bauch gespürt. Bislang habe es aber nie Probleme gegeben, wenn das mal vorgekommen sei.
Ein anderes Konfliktpotenzial für die Gruppe – besonders in der frühen Phase – bot die Vergabe der Wohnungen. Vor allem die Dachgeschosswohnungen waren stark begehrt. Hier kam das systemische Konsensieren zum Einsatz. „Wir haben in der Gruppe jemanden, der macht systemische Beratung und kennt sich damit aus“, sagt Helke Napierala. Beim systemischen Konsensieren geht es darum, eine Lösung zu suchen, die am wenigsten abgelehnt wird und daher dem Konsens am nächsten kommt. Die Methode orientiert sich daran, wie groß oder klein der Widerstand ist. Helke Napierala schildert das Verfahren: „In einem großen Raum wurden alle Wohnungsgrundrisse auf dem Boden aufgeklebt. Man sollte sich in einer ersten Runde auf die Wohnung stellen, die am wenigsten infrage kommt und dann sagen, was daran trotzdem gut ist. In der zweiten Runde auf die Wohnung, die der zweitbeste Kompromiss für einen wäre, wieder mit Benennung von deren Vorzügen, und erst in der dritten Runde auf die Wunschwohnung.“ Auf diese Weise wurde nach und nach die bestmögliche Lösung für alle herausgekitzelt. Bei der zweiten Gruppe, in der die Wohnungsvergabe auf diesem Weg vonstattenging, konnten bestehende Interessenskonflikte durch die Änderung von Grundrissen bzw. das Tauschen von Wohnungen gelöst werden. Helke Napierala selbst war beim dritten Schwung dabei. Da sei damals eine Frau ausgestiegen, weil am Ende doch keine Lösung gefunden werden konnte, sagt sie. Doch insgesamt hätte sich das Verfahren bewährt und alle seien mit ihren Wohnungen zufrieden.
Wohnprojekt FRIDA - Innenhofansicht
Der Gemeinschaft ein Zuhause geben
Das künftige Gebäude von FRIDA wird 35 Wohnungen sowie eine Gästewohnung umfassen. Darüber hinaus gibt es einen Gemeinschaftsraum mit Küche, einen Multifunktionsraum, der auch vermietet werden soll, ein separates Bad mit Badewanne (weil es in den Wohnungen vor allem Duschen gibt), einen Waschraum mit Waschmaschinen (die Entscheidung, ob man eine Waschmaschine in der Wohnung haben will, trifft jeder für sich) und eine Werkstatt. Es entstehen ferner ein Innenhof mit Garten sowie eine Dachterrasse zur gemeinschaftlichen Nutzung. Angedacht hat die Wohngemeinschaft auch eine „Bibliothek der Dinge“, denn nicht jeder müsse ja eine Bohrmaschine, ein Waffeleisen oder einen Wok in der Wohnung haben. Zumal sich eigentlich alle von der Wohnfläche her verkleinern. Wie das dann organisiert wird, ob es einen Raum mit all diesen gemeinsam zu nutzenden Dingen gibt, oder ob sie verteilt in den Haushalten aufbewahrt werden und man sie sich gegenseitig ausleiht, das wird sich finden.
Noch gibt es hier viel zu tun auf dem Grundstück der Baugemeinschaft. Doch die Erdarbeiten sind bereits in vollem Gange (Juni 2025).
Mit dem Wachsen des Hauses konzentrieren sich jetzt die Gedanken verstärkt auf das gemeinsame Wohnen, darauf, wie man es sich vorstellt und wünscht und wie sich dieser Aufbruch in eine neue Lebensphase anfühlt. Hierzu wollte Wolfgang Schneider eigentlich auf dem Spatenstich zusammen mit ein paar anderen Mitgliedern ein Lied singen, doch dieser Programmpunkt fiel leider sprichwörtlich ins Wasser. Der Text des Liedes lautet: Leben einzeln und frei wie ein Baum, leben brüderlich wie ein Wald. Das ist unsere Sehnsucht. „Diese Worte stammen vom türkischen Dichter Nazim Hikmet“, erläutert Schneider, „und treffen, wie ich glaube, ganz gut das Lebensgefühl von FRIDA, den Wunsch nach einem Ausgleich zwischen Individualismus und Gemeinschaftsleben.“ Seine einzige Sorge in diesem Zusammenhang sei, dass – käme es doch einmal zu größeren Konflikten – man sich nicht rechtzeitig professionelle Hilfe hole. Er wünscht sich, „dass wir oft gemeinsam kochen und zusammen essen.“
Wenn Lothar Möhle an den Moment des Einziehens denkt, dann regt sich bei ihm ein Gefühl, wie er es von früher von Klassenfahrten und Jugendherbergsübernachtungen kennt. „Das ist etwas ganz Kindliches, Neugieriges, Frisches, das ich da spüre, und das stelle ich mir ja mit Menschen vor, die eindeutig nicht mehr im Schüler*innenalter sind.“ Wenn Ute Schadek an den Einzug denkt, dann fühlt sich das so an, als wäre sie nach vielen Runden des Fliegens über den Flughafen, endlich gelandet, könne nach der langen Phase der Planung endlich das Leben beginnen: „Ich freue mich darauf, aber es ist eher so eine ruhige Freude, als würde ich mich nach einem langen Tag zufrieden aufs Sofa setzen.“
Silvia Plücker hat schon heute zahlreiche Ideen für zukünftige gemeinsame Aktivitäten im Hause FRIDA. Die Palette reicht von Kulturveranstaltungen, ob Musik, Literatur oder Malerei, Sportangeboten und vielem anderen mehr. „Wir sind ja so viele, und da bringt jeder etwas an Fähigkeiten und Kenntnissen mit, an denen die Gemeinschaft teilhaben kann. Das ist der Vorteil dabei, wenn alle nicht mehr ganz so jung sind. Wir haben eben schon viel auf unseren ‚Festplatten‘ ansammeln können“, sagt sie.
Und bei allen Wünschen und Gefühlen, die der Einzug in das gemeinsame Haus schon jetzt beflügelt, ist auch Platz für einen gewissen Pragmatismus, der in den Worten von Silke Alshuth durchklingt, und mit dem sie sicherlich nicht allein dasteht: „Dass ich schon jetzt mein Haus ausräume, meine Kinder später dann nur noch 52 Quadratmeter auflösen müssen und ich mich bereits in Richtung altersgerechtes Wohnen orientiere, das ist doch supervernünftig und schön!“
Spatenstich im März 2025 - im Hintergrund sieht man die Rückseite der Häuser der Straße Sorgenfrei.
Wie immer sich das Zusammenleben der FRIDAs gestalten wird, klar ist: Dieses Wohnprojekt steht unter einem guten Stern. Denn das Baufeld H, das die Baugemeinschaft im Neuen Hulsberg-Viertel erworben hat, trägt den Beinamen „Hallo Sorgenfrei“, weil es an die Rückseite der bestehenden Wohnstraße „Sorgenfrei“ grenzt. Ein verheißungsvoller Start in die gemeinsame Zukunft!






