Betreutes Wohnen: Effektives Asset Management bei Betreiberinsolvenzen
Immobilieninvestoren erkennen zunehmend den enormen Bedarf an Wohnraum für pflegebedürftige Seniorinnen und Senioren und die Notwendigkeit, in entsprechende (Wohn-)Infrastruktur zur investieren. Dabei konzentrieren sie sich aufgrund der höheren Flexibilität hinsichtlich der Vermietbarkeit und der geringeren Abhängigkeit von politischen Rahmenbedingungen vermehrt auf Alternativen zum stationären Pflegeheim, wie beispielsweise das Betreute Wohnen. Denn Konzepte, die näher am Wohnen orientiert sind und bei denen Service- und Pflegeleistungen im Bedarfsfall ambulant dazugebucht werden können, lassen sich nicht nur passgenauer auf die Bedürfnisse künftiger Nutzergenerationen zuschneiden. Sie sind auch weit weniger abhängig von politischen Rahmenbedingungen und seltener von Insolvenzen betroffen als die stationäre Pflege. Zudem bieten sie dem Eigentümer bessere Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit zahlungsunfähigen Mietern.
Ursache für vermehrte Betreiberinsolvenzen meist nicht in fehlender Nachfrage zu finden
Eine tiefergehende Analyse der Gründe für die jüngsten, vermehrten Insolvenzen von Pflegeeinrichtungsbetreibern würde den Umfang dieses Artikels übersteigen. Für den Kontext ist es jedoch wichtig zu erwähnen, dass diese meist nicht in einer fehlenden Nachfrage an Wohnraum für Seniorinnen und Senioren begründet liegen. Die Nachfrage ist gesichert, da die Bevölkerung zunehmend altert. Die demografische Entwicklung ist zudem auf absehbare Zeit klar kalkulierbar.
Vielmehr werden Liquiditätsprobleme als Ursachen für Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenz genannt. Gestiegene Energie-, Sach- und Personalkosten wurden in der jüngeren Vergangenheit nicht rechtzeitig von den Kostenträgern refinanziert. In der stationären Pflege kommt hinzu, dass aufgrund gesetzlicher Vorgaben hinsichtlich des Personalschlüssels häufig keine Bewohnerinnen und Bewohner aufgenommen werden können, weil Personal fehlt. Betreiber mit einer dünnen Eigenkapitaldecke geraten so in Liquiditätsengpässe, was wiederum dazu führen kann, dass die Zahlungsverpflichtungen gegenüber den Eigentümern der Immobilien nicht eingehalten werden können.

Flexible Handlungsmöglichkeiten im Betreuten Wohnen erkennen und zielorientiert handeln
Welche Möglichkeiten Eigentümer von Einrichtungen des Betreuten Wohnens in einem solchen Fall haben und wie im Asset Management mit einer solchen Situation umgegangen werden kann, zeigt folgendes Praxisbeispiel:
In einer Senioren-Wohnanlage im Raum Bremen, die im Rahmen eines Generalmietvertrages von einem deutschlandweit tätigen Betreiber geführt wurde, kündigte sich eine drohende Insolvenz bereits durch ausbleibende Mietzahlungen an. Trotzdem erfreute sich die Einrichtung konstanter Beliebtheit bei älteren Menschen und verfügte über ein engagiertes und zuverlässiges Personal.
Um die wirtschaftlichen Erfolgsaussichten einer Seniorenwohnanlage nachhaltig zu sichern, ist es von entscheidender Bedeutung zu erkennen, dass jede Einrichtung innerhalb dieser Anlagekategorie als ein selbständiges Ökosystem aus Personal und Bewohnern funktioniert, das reibungslos operieren muss und Schutz verdient. Dies trägt maßgeblich zum Ruf und somit zur ökonomischen Stabilität der Investition bei. Folglich ist es im beiderseitigen Interesse, potenzielle Konflikte mit der Führung des Betreiberkonzerns, etwa wegen ausstehender Mietzahlungen, fernzuhalten und nach einer haltbaren Lösung zu streben, bevor mit Kündigung und Räumungsklage vorgegangen wird.
Wenngleich die Fortführung des Betriebs durch den bestehenden Betreiber daher in den allermeisten Fällen die bevorzugte Alternative zu einem Mieter- bzw. Anbieterwechsel sein wird, kann es notwendig sein, das Mietverhältnis außerordentlich zu beenden. Dies war auch im geschilderten Fall die Reaktion auf die ausbleibenden Mietzahlungen.
Übergang der Bewohnermietverträge bei Kündigung des Generalmietverhältnisses als Vorteil beim Betreuten Wohnen gegenüber der stationären Pflege
Bei einem Generalmietverhältnis mit einem Betreiber im Betreuten Wohnen führt eine Kündigung dazu, dass die mit den Bewohnerinnen und Bewohnern bestehenden Mietverträge gesetzlich vom Betreiber auf den Eigentümer des Gebäudes übertragen werden und dieser direkte Ansprüche auf die Mietzahlungen geltend machen kann. Dies stellt einen wesentlichen Vorzug im Vergleich zu stationären Pflegeheimen dar, wo normalerweise kein direkter Zugriff des Immobilieneigentümers auf die Mietverpflichtungen der einzelnen Bewohnerinnen und Bewohner besteht. Dadurch lassen sich die Mietzahlungen an den Fonds oder den Eigentümer umleiten, was verhindert, dass der Betreiber diese zur Deckung von Liquiditätsengpässen im Konzern nutzt.
Im vorliegenden Fall wurde eine Vereinbarung mit dem Betreiber getroffen, mit der ihm erlaubt bleibt, die üblichen Pflege- und Serviceleistungen mithilfe der bestehenden Belegschaft temporär fortzuführen, um einen nahtlosen Betriebsablauf sicherzustellen. Auf diese Weise ergab sich eine vorteilhafte Situation für beide Seiten („Win-win“).

Die Grafik veranschaulicht die Vertragskonstellation bei direkter Einzelvermietung an die Bewohner vs. Generalmietvertrag mit Betreiber.
Während dieses Prozesses wurden die Bewohnerinnen und Bewohner und das Personal in enger Zusammenarbeit mit dem Betreiber umfassend informiert, um das oben erwähnte „soziale Ökosystem“ zu schützen und mögliche Sorgen und Ängste der Mitarbeitenden und Bewohnenden zu zerstreuen. Eine solche Vorgehensweise dient sowohl den Interessen des Immobilieneigentümers als auch denen des Pflegedienstleisters. Dessen Geschäftsbetrieb und Beschäftigte stellen auch nach einer Kündigung des Hauptmietvertrages einen nicht unerheblichen Wert dar. Im Falle einer Übernahme durch einen Drittbetreiber kann dieser auf die bereits vorhandenen Personalstrukturen aufbauen, da Fachkräfte im Markt schwer zu bekommen sind.
Die oben geschilderte Vorgehensweise stabilisierte die Situation vor Ort, da der laufende Betrieb fortgeführt und die Mietzahlungen der Bewohnerinnen und Bewohner umgeleitet wurden. Daraus ergaben sich Zeit und Handlungsoptionen für die weitere strategische Planung und Abstimmung mit dem Anlageausschuss. Es bestand nun die Möglichkeit, das neu geschaffene Konstrukt der direkten Vermietung an die Bewohnerschaft beizubehalten, um direkt an den Risiken und Potenzialen des Marktes zu partizipieren und sich mit einem neuen Partner für die Versorgung und den Service zu einigen. Oder aber um einen neuen Generalmieter zu finden, der den Betrieb zu mindestens gleichen Konditionen wie der Vormieter fortführt.
Im vorliegenden Fall konnte ein neuer Generalmieter unter fast denselben Bedingungen gewonnen werden, der das Unternehmen aus der Insolvenzmasse kaufte und die Mitarbeitenden übernahm. Dadurch ließ sich der Schaden für den Fonds auf ein Minimum reduzieren.
Fazit
Selbst wenn der geschilderte Fall kein Standardprozedere darstellt und es intensiver Arbeit im Asset Management und viel Feingefühl in der Abwägung unterschiedlicher Interessen und sorgfältiger Kommunikation bedarf, bietet Betreutes Wohnen/Service Wohnen im Vergleich zur vollstationären Pflege die nötige Flexibilität sowie bessere Durchgriffs- und Gestaltungsmöglichkeiten, um aktiv Einfluss auf den Erfolg einer Einrichtung nehmen zu können. Dabei kann die direkte Vermietung der Wohnungen in Kooperation mit einem Pflegedienstleister sinnvoll sein, um ein Betreiberrisiko zu minimieren und die Mietpotenziale durch aktives Asset Management zu heben. Standort und Wettbewerbssituation sowie konzeptionelle Ausrichtung der Immobilie sind selbstverständlich Schlüsselvoraussetzungen, um den Bedarf passgenau aufzufangen. Professionelles Management und ein guter Zugang zum Markt und den Akteuren sind dabei elementare Voraussetzung für den Erfolg, wenngleich die Nachfrage im Prinzip flächendeckend vorhanden ist.
Über den Autor

Sebastian Schlansky ist Geschäftsführer bei HAMBURG TEAM Investment Management. Dort ist er für die strategische Weiterentwicklung des Segments „Health Care“ verantwortlich ist, zu dem auch der Bereich der ambulanten medizinischen Versorgung (Ärztehäuser / medizinische Versorgungszentren) zählt.